Ansgar von Briant

Mai 1138, Ansgar von Briant, Burg zu Briant

Ansgar hielt das Schwert mit beiden Händen so fest gepackt, dass seine Finger schmerzten, und starrte seinem Gegner ins verschwitzte Gesicht. Die Sonne stand hoch. Die Luft flirrte. Der Staub klebte an der Haut und kitzelte. Aber er hatte keine Hand frei, um sich durchs Gesicht zu wischen.

Clemens stand. Unbewegt. Ansgar wusste, der Knappe seines Vaters wartete nur darauf, dass er zuckte. Diesmal nicht. Diesmal tue ich dir diesen Gefallen nicht. Er stand still. Das Schwert begann leise zu zittern. Sein Arm wurde schwer, aber er hielt die Deckung hoch. Und dann kam der Angriff. Ansatzlos. Aus dem Nichts. Ansgar hätte es fast verpasst und konnte gerade noch seine Waffe zwischen sich und das herab sausende Schwert bringen. Er stöhnte leise, als der Schlag durch seinen Arm zitterte und wäre fast in die Knie gegangen. Er wich zurück. Clemens setzte nach. Jetzt fiel Hieb auf Hieb und Ansgar schaffte es immer nur gerade so, die Schläge abzufangen. Clemens trieb ihn rückwärts über den Platz bis er mit dem Rücken gegen die Mauer stand. Der nächste Hieb entwaffnete ihn. Sein Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft und bohrte sich in den Sand des Übungsplatzes. Clemens packte ihn und warf ihn sich über die Schulter wie ein kleines Kind. Ansgar schrie auf und strampelte. „Lass los! Lass mich runter, sofort, hörst du… lass los,… verdammt…!“ Er trommelte mit den Fäusten auf Clemens Rücken. Doch der ließ sich nicht beirren und trug den Jüngeren im Triumphzug über den Platz und dann bis in den Hof.

„Lass ihn los, Clemens! Das ist nicht ehrenhaft! Er ist viel kleiner als du!“ Ein Mädchen stellte sich dem hochgeschossenen Knappen in den Weg. Die Hände in die Hüften gestemmt.

„Er hätte mich ja nicht herausfordern müssen!“, konterte der und schoss einen wütenden Blick auf sie ab. „Geh mir aus dem Weg.“

„Nein. Ich bleibe. Du hast ihn provoziert“, schnaubte das Mädchen mit den unbändigen braunen Locken. Ansgar konnte sie nicht sehen, weil er immer noch mit dem Kopf hinter Clemens Rücken hing. Aber er kannte ihren Gesichtsausdruck. Und obwohl es ihn ehrte, dass sie sich für ihn einsetzte, war es ihm zugleich furchtbar peinlich.

„Ein echter Ritter lässt sich nicht provozieren und auch nicht von einem Mädchen verteidigen“, schnarrte Clemens überheblich.

„Lass es gut sein, Sophia“, knurrte Ansgar, „Er ist eben ein ungehobelter Tannenberger.“
„Ich geb dir gleich ungehobelt!“ Clemens klang jetzt richtig wütend.

„Lass ihn, ich sags sonst Vater!“ Sophias Stimme klang jetzt ängstlich. In ihren Augen schimmerte es feucht.

Clemens schnaubte. „Hier, da hast du ihn.“ Er packte fest zu und legte Ansgar wie ein kleines Kind vor Sophia in den Dreck des Hofes. Dann drehte er sich um und stapfte davon.

„Es tut mir leid, Ansgar, hat er dir sehr weh getan?“ Sophia beugte sich über Ansgar.
„Lass mich in Ruhe, Sophia!“ Er rappelte sich auf die Beine und stürmte davon in Richtung der Ställe.
„Ansgar…!“ Sophia rief ihm hinterher, aber er wollte nicht hören. Im hintersten Winkel vergrub er sich im Heu. Tränen sprangen ihm ungefragt in die Augen. Unwirsch wischte er mit dem Ärmel seiner Tunika darüber. Verdammt, warum war er nur so klein und schmächtig… Sein Vater jedenfalls war nicht so klein… Er schluckte gegen den Kloß im Hals. Auch am Hofe des Königs war er einer der kleinsten Pagen. Einige der Jüngeren hatten ihn längst an Größe und Kraft überholt. Mit Sorge dachte er daran, dass er ab Sommer zu den Knappen gehörte. Henk von Hauptstein wartete jetzt schon darauf, ihn windelweich zu prügeln. Er musste sich etwas einfallen lassen.

„Ach hier bist du.“ Sophia. Natürlich. Sie fand ihn immer. Egal wo er sich vergrub. Sie blinzelte ihm schelmisch zu. „Mach dir nichts draus. Clemens ist ein Blödmann. Außerdem hat er es sicher nicht so gemeint. Schau mal, ich hab uns etwas mitgebracht.“
Sie förderte ein Brettchen mit zwei Stücken des leckeren Mandelbrotes zu Tage, dass die Köchin nur an speziellen Festtagen buk. Sie waren dick mit Butter beschmiert. Jetzt konnte Ansgar nicht anders. Er lächelte. „Danke, du bist … unglaublich, Sophia.“

„Ich weiß.“ Sie lachte. „Und morgen feiern wir deinen Geburtstag.“

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