Adventskalender '22,  Charaktere,  Henk von Hauptstein

12.12.2022 Henk

Henk schluckte trocken. Schweiß perlte trotz der Kälte auf seiner Stirn. »Ganz ruhig.«, stieß er heiser hervor.
Schweigen antwortete. Grimmige Blicke. Zehn Spieße zielten unmissverständlich auf ihn. Er wagte sich nicht zu rühren, nur sein Pferd unter ihm bewegte sich unruhig. »Ho, bleib stehen.«, murmelte er leise, ohne die keonischen Krieger aus dem Blick zu lassen.
Der Anführer gab einen ruppigen Wink. Hinter Henk kam Bewegung in den Trupp. Plötzlich legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter. Er zuckte zusammen. »Deine Hände.« Raunte ihm der Kerl in keonischem Dialekt zu. Henk zögerte nicht. Wenn er nicht tat, was man forderte, würden sie keine Skrupel haben ihn hier und jetzt an den Boden zu spießen. So legte er brav die Hände auf den Rücken und ließ sich von dem keonischen Krieger fesseln.
Der Anführer senkte seinen Spieß, ritt an ihn heran und ergriff die Zügel. Henk biss die Zähne zusammen. So ein verfluchter Mist.

Es ging in schnellem Tempo mitten hinein in keonisches Gebiet. Sie erreichten ein befestigtes Dorf mit Palisadenzaun und einem einzigen Gebäude aus Stein. Walters Burg. Henk presste die Zähne zusammen. Er hatte schon viel von Walter von Keon gehört. Begegnet war er ihm noch nie.

Man riss ihn in eine dustere Halle und zwang ihn auf die Knie.
»Meister, wir haben hier einen hübschen Fang gemacht.«
»Sieh an, ein Hauptsteiner Fisch, wie es scheint.«
Walter sprang auf, stand auf seinem Thron, machte einen Schritt auf den Tisch und sprang direkt vor Henk auf den Boden. Er packte grob sein Kinn und zwang ihn hochzublicken. »Sieh mich an und sag mir, was tut ein eloanischer Ritter in meinem Land? Bist du ein Spion?«
Henk stockte das Herz. Spion? Wenn Walter das glaubte, war er so gut wie tot. »Nein, Herr, ganz sicher nicht… ich… es war… ein Versehen.«
»Was nennst du mich Herr?« Walter verpasste ihm eine gepfefferte Ohrfeige.
Henks Kopf flog herum. Schmerz platzte in seinem Schädel.
»Und was heißt hier Versehen?«
»Ich… war jagen…hab nicht… auf die Grenze geachtet… der Hirsch… er …«
»Hör auf hier herumzuheulen wie ein dreijähriger Junge…«
»Bitte, Herr… ich wollte nichts…«
Walter schnaubte abfällig. »Schafft ihn in die Kerker, ich beschäftige mich später mit ihm.«
»Bitte, lasst mich gehen, mein Vater wird sonst suchen… und dann….«
»Und dann was? Willst du mir drohen?«
»Nein, ich…« Henk ließ den Kopf hängen… es gab nichts zu sagen. Walter würde alles gegen ihn drehen.
»Dann halt besser deine vorlaute Schnauze.« Walter umrundete ihn wie ein Wolf seine Beute. Plötzlich blitzte ein Dolch in seiner Hand. Ein schneller Schnitt. Henk jaulte auf. Blut lief seine Wange hinab.
»Ich habe ein Angebot für dich.«
Schweiß trat auf Henks Stirn. Seine Glieder zitterten vor Anspannung.
»Werde mein Mann und ich lasse dich gehen.«
»Das…«
»Sag nichts, was du bereuen würdest. Ich frage nur einmal. Aber ich gebe dir zuvor Bedenkzeit.«

Die Zelle war kaum groß genug, um darin zu stehen. Seine Hände hingen irgendwo über ihm. Wasser tropfte von der Decke. Seine Füße standen im Siff von Jahrzehnten. Es stank zum Gottserbarmen. Henks Brust hob und senkte sich schnell. Er kämpfte gegen die Angst, die sich wie ein Gift durch seine Adern fraß. Walters Angebot war inakzeptabel. Aber dann? Würde er hier elendig krepieren. Er schluckte.

Die Ketten rasselten. Seine Arme sackten haltlos herab. Er musste Stunden dort gestanden haben. Alle Kraft war aus ihm gewichen. Hände packten zu. Man schleppte ihn Treppen hinauf. Warf ihn wie einen Sack zu Boden.
»Ich hoffe, du hattest Zeit zum Nachdenken.«
»Herr, ich…« Henk erkannte seine eigene Stimme kaum, so kratzig klang sie.
Walter hob die Hand. »Schhh. Kein Wort. Es könnte dein letztes sein.«
Schweigen. Angestrengtes Atmen.
Walter stand hinter ihm. Plötzlich riss er Henks Kopf an den Haaren zurück, starrte ihm direkt ins Gesicht. »Du bist in meiner Hand. Und ich kann alles mit dir machen. Glaube mir, es gibt viele Grausamkeiten. Und sterben ist nicht so leicht.«
Henk versuchte zu schlucken. Aber das war beinahe unmöglich mit der überstreckten Kehle. Er kämpfte darum, Luft zu bekommen.
»Wirst du mein Mann?« Walter ließ los.
Henks Hände hingen nutzlos herab. Er hielt den Kopf gesenkt.
»Ja, Herr.«

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