18.12.2022 Ansgar


Es waren Jahre vergangen. Jahre des Wanderns. Jahre der Suche. Jahre des Lernens. Des Versagens. Der Selbstzweifel. Jahre des Kämpfens und Verlierens. Und nun? Nun war er endlich am Ziel.
Vor ihm lag die Burg zu Briant. Auf dem Hügel über dem Meer. Ihre Zinnen leuchteten im Abendlicht. Möwen kreischten. Das Tosen des Meeres begleitete ihr Lied. Der Geruch nach Algen und Fisch erinnerte ihn an früher. Er kehrte zurück. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Seine Schritte jedoch wurden langsamer. Freude mischte sich mit Sorge. Wie würde es sein? Kannte man ihn noch? Begrüßte ihn freudig? Oder wäre er ein Fremder?
Das Lächeln erstarb. Er zögerte. Ließ den Blick über die massigen Türme der Burg schweifen. Auf dem Burgfried wehte die Flagge der Tannenberger. Clemens wäre sicher nicht erbaut. Sollte er umkehren? Sie in Frieden leben lassen? Ohne ihn…
Seine Gedanken streiften durch das Tor. Vor ihm lag der Hof. Dreckig und matschig, wie fast immer. Mika und Eric kamen ihm entgegen. Älter und doch unverkennbar. Ihre Gesichter glänzten vor Freude. Und dann öffnete sich die Tür zum Haupthaus und Sophia trat heraus. Erkennen und loslaufen war eins. Wie ein Wirbelwind kam sie auf ihn zu. Fiel ihm um den Hals und herzte ihn. Er wirbelte sie herum, wie früher, als sie ein Kind gewesen war. Tränen der Freude in den Augen. »Ansgar… Du bist wieder da« Würde es so sein? Oder würde sie ihn nicht mehr kennen? Ihn nur aus Höflichkeit willkommen heißen?
Er brummte unwillig. Er musste eine Entscheidung treffen. Er setzte sich in Bewegung. Mit festen Schritten trat er auf das Tor zu. Bemerkte die bröckelnden Steine in der Mauer. Da musste man auch mal Hand anlegen. Aber sicher wusste Clemens das längst.
Die Burg hieß ihn willkommen. Das Tor stand offen. Der Hof erschien ihm kleiner als früher. Enger. Dräuende Mauern ringsum. Die Ställe an der Seite waren erweitert worden. In der Schmiede rauchte die Esse, wie eh und je. Mika querte den Hof mit einer Schubkarre.
Beherzt trat Ansgar ein. Wenn man ihn nicht willkommen hieß, konnte er jederzeit wieder gehen. Er war ein freier Mann.