Wieder einmal stöberte er in der alten Bibliothek von Kersulec. Er war hier zu Besuch auf Einladung Adelars. Dankbar, all diese Schätze sehen, ja gar anfassen und lesen zu dürfen, hatte er sich in die Kellergewölbe zurückgezogen. Er hatte gerade einen alten Folianten hervorgekramt, in dem die Geschichte Eloans und Wulfstans Eroberungen erörtert wurden, als ihm aus dem ledergebundenen Buch etwas entgegenfiel. Drei gefaltete Bögen Papier. Fleckig, die Schrift verblichen. Benedict hielt den Atem an. Durfte er sie anfassen oder würden sie ihm in den Fingern zerbröseln? Und wieso lagen diese Briefe in einem Buch über Eloans Geschicke?
Behutsam und mit spitzen Fingern fasste er sie an. Vorsichtig öffnete er die Faltung. Sein Blick fiel auf Worte in altem Wulfstein. Es war ein Brief, eindeutig, er trug ein Datum, dass aber kaum noch zu entziffern war und eine geheimnisvolle Anrede. AUch eine verschlungene Unterschrift fehlte nicht.
»An den Berufenen, den einen, der allein in der Lage ist, die Geschicke zu wenden,
Der, der du dies findest, wisse, dass deine Berufung ist, dem wahren König Eloans auf den Thron zu verhelfen…«
Der wahre König? Was sollte das heißen? War Wolfhard nicht der wahre König?… Er war Wolframs Sohn und der stammte in direkter Linie von Wulfstan ab. Was für ein kersuleisches Durcheinander.
Benedict schüttelte den Kopf. Das war Humbug. Musste Humbug sein. Diese Briefe waren uralt. Sicher war nicht er gemeint, sondern jemand aus der Geschichte des Landes. Aber so sehr er auch nachsann, er fand keinen, der irgendeinem »wahren« König zur Thronbesteigung geholfen hätte. Und sein Herz raste bei dem Gedanken, er könne gemeint sein. Es war als habe jemand einen großen Gong angeschlagen und in ihm schwang dieser Ton nach.
Er schluckte. Kurz überlegte er, beschloss die Briefe genauer zu untersuchen und sie zu studieren. Als erstes suchte er die Daten zu entziffern, Herauszufinden, wer der Verfasser sein könne. Die verschnörkelte Linie war kaum entzifferbar. Aber je mehr er sich damit beschäftigte, desto deutlicher wurde, dass die Briefe zerfallen würden, wenn er sie weiter in den Händen hielt und drehte und wendete. So begann er, die Worte auswändig zu lernen. Das war nicht so schwer. Denn jeder Brief enthielt nur wenige Zeilen.
Da war von Berufung die Rede. Von einer Befreiung und von Verantwortung. Benedict wurde nicht recht schlau daraus, obwohl er schon so viel studiert hatte und sich wirklich gut in Eloans Geschichte auskannte, aber von solch einer Berufung oder Prophezeiung hatte er nie gehört. Er würde Adelar fragen. Ja, das sollte er. Der Mann war eine wandelnde Bibliothek. Er kannte alles und jeden. Ob er diese Briefe auch schon gefunden hatte?