Eamonn betrachtete es ehrfürchtig. Es war das Schwert seines Vaters. An der Parierstange war rechts und links je ein Rubin eingelassen und in die Scheide waren alte Worte in Wulfstein eingraviert: »Nur nach dem Sieg zurück in die Scheide.«
Eamonn strich wie liebkosend darüber und gab die Waffe seinem Waffenmeister. »Reinigt sie und verwahrt sie gut.« Das Schwert war ihm zu wertvoll, um es jeden Tag zu tragen, denn es war seine Erinnerung.
Immer wenn er in die Waffenkammer kam, fiel der Blick auf dieses Schwert. Der Waffenmeister hatte einen eigenen Ständer dafür bauen lassen.
Der König kam zu Besuch. Eamonn bewirtete ihn fürstlich, wie es sich gehörte. »Haltet die Augen offen, Eamonn. Man sagt, Ansgar von Briant treibe sich wieder in Eloan herum. Ich will ihn. Hört ihr?«
Eamonn nickte. »Natürlich, wenn ich ihn erwische, mein König, liefere ich ihn Euch aus.«
Der König reiste ab.
Wochen vergingen. Eines Morgens betrat Eamonn die Waffenkammer. Wie immer fiel sein Blick auf den Ständer. Die Waffe fehlte. Ein Schrei entwich seiner Kehle. »Waffenmeister? Wo ist das Schwert?« Wer mochte es entwendet haben? Wie kam der Dieb herein?
»Herr, ich habe es nicht genommen. Als ich die Kammer gestern Abend verließ, war es noch an Ort und Stelle.«
Ein Einbruch also. Tatsächlich fand man das Schloss der Kammer, dass offensichtlich mit einem Werkzeug geöffnet worden war, das nicht der übliche Schlüssel war. Kratzspuren zeugten davon. Sonst jedoch fand sich kein Hinweis auf den Täter. Eamonn zog sich in seine Kammer zurück. Er trauerte, als sei sein Vater ein zweites Mal gestorben. Zugleich sandte er Männer aus, das Schwert zu suchen. Doch wohin, wenn es keine Hinweise gab?
Wieder vergingen Wochen. Das Schwert blieb verschwunden. Ein Wanderer betrat die Burg. Den braunen Mantel um sich geschlungen, um sich vor dem Schnee zu schützen, der seit Tagen ununterbrochen fiel. Ein Keonischer Schild hing auf seinem Rücken. Die Wachen waren alarmiert. Zwar wagte es niemand, ihn direkt anzurühren, so abweisend und zielstrebig betrat er die Burg. Aber sie flankierten ihn. Niemand wollte sich Nachlässigkeit vorwerfen lassen. Eine der Wachen schloss umsichtigerweise das Tor. Der Mann ließ sich nicht beirren. Er schritt auf den Haupteingang der Burg zu, durch Gänge, als sei er hier zu Hause und betrat die Große Halle mit einer Selbstverständlichkeit, als sei er ein geladener Gast.
»Was hat das zu bedeuten«, raunzte Eamonn. »Wer seid ihr und was wollt ihr?«
Ich glaube, ihr habt einen wertvollen Gegenstand verloren, den ihr vermisst!«
Eamonn zuckte zusammen. Das Schwert. War es möglich, dass er vom Schwert sprach? »Wer seid ihr und was wisst ihr? Redet oder ich lasse euch windelweich prügeln.«
»Das wird nicht nötig sein. Ich bin gekommen, euch etwas zurück zu bringen. Ich habe es gefunden. Und ich bin sicher, es ist euer Besitz.«
»Dann zeigt, was ihr gefunden habt …« Eamonn rutschte auf seinem Sitz nach vorne und streckte seine Hand aus.
Der Fremde nestelte unter seinem Mantel und richtete schließlich ein Schwert auf Eamonn. Rubine glitzerten rot im Fackelschein. Auf der Klinge blitzten Worte auf und es war, als flüstere es im Raum. »Nur nach dem Sieg zurück in die Scheide.« Die Wachen sprangen herbei, packten den merkwürdigen Eindringling.
»Woher hast du das?« Eamonns Stimme klang heiser. Seine Augen leuchteten auf. Es war sein Schwert. Ohne jeden Zweifel.
»Ich habe es gefunden, sagte ich doch schon.«
»Wo? Bei wem?«
»Bei einem Keoner. Dem gehörte auch dieser Schild.«
»Was ist mit dem Mann?«
»Er ist tot.«
Eamonn sackte zurück in seinen Stuhl. »Gib es mir«
Der Mann trat vor und überreichte das Schwert feierlich.
»Und nun zeig dich mir, damit ich dir danken kann.«
»Das möchte ich lieber nicht. Lasst mich gehen. Ihr habt, was ihr vermisst. Ihr solltet dankbar sein und meine Wünsche respektieren.«
Eamonn knurrte unwirsch. Er war es nicht gewohnt, dass man seine Befehle missachtete. Ein Wink. Eine der Wachen fuhr nach vorne und riss dem Fremden die Gugel vom Kopf.
»Ansgar?«
Verehrter Herr Ansgar,
soeben lese ich die wunderbare und total spannende erste Adventskalender-Geschichte aus der Feder von Frau Martina. Die Wege sind manchmal unergründbar und die heutige Zeit komplexer, als sie es je erahnen könnten. Eine Verwirrung, um zu ihnen zu gelangen, habe ich nicht gespürt. Seien sie also bitte nicht so hart mit ihrer „Schöpferin“ 🙂 Es ist, wie es ist – und genau so sei es 😉 Ich freu mich auf morgen und die zweite Geschichte…
Seid gegrüßt von Diana
Sehr spannend und packend geschrieben. Wie geht’s weiter?
Ist das schön! Richtige Geschichten vor der Weihnachtszeit anstatt schnöder Schokolade!
Ich freue mich auf morgen!
Silke
Vortrefflich, fürwahr!
Was für eine tolle erste Geschichte, ich bin schon gespannt auf die nächsten, auf alle.
Was für ein toller Adventskalender